Weniger Betten, nachhaltiger Tourismus?
Die Ahrntaler Hotelierin Michaela Nöckler setzt auf Nachhaltigkeit, warnt aber vor Schwarz-Weiß-Malerei
Der Bühelwirt in St. Jakob im Ahrntal ist nicht irgendein Hotel. Es zählt zu den neun Bio-Hotels, mit biologischer Küche, Ökostrom, regionaler und baubiologischer Hoteleinrichtung. Verantwortlich dafür zeichnet die Wirtin Michaela Nöckler und ihr Ehemann.Die BWL-Absolventin Nöckler pachtete 2008 den Bühelwirt. Sieben Jahre später stieg ihr Ehemann in das „Geschäft“ ein. Gemeinsam bauten sie ihr Hotel um. Der Bühelwirt wurde erweitert, mit einem doch wagemutigen modernen Zubau, entworfen vom Büro Pedevilla-Architekten.
Im salto-Interview „Dieser Knoten ist zu lösen“ von Susanne Pitro wird Nöckler mit der Aussage zitiert, dass der Anbau die Umrüstung auf ein nachhaltiges Hotel forcierte. „Wir wollten ein Gebäude erschaffen, das uns ein Ausbrechen aus der klassischen Ferienhotellerie ermöglicht. Ein Gebäude, das gut durchdacht und geplant ist, nicht den neuesten Trends hinterherrennt“, erläuterte Michaela Nöckler auf salto ihr Konzept. Das scheint überzeugend gelungen zu sein.
Überlegt Umbauen
Den Umbau legte das Architektur-Team auf lange Haltbarkeit an, auf Beständigkeit, eben auf Nachhaltigkeit. Ein Neubau also, der zur betrieblichen Umkehr anregte. Dafür sorgte auch der Pandemie bedingte Lockdown, die achtmonatige Schließung des Hotels. Viel Zeit zum Nachdenken, zum Reflektieren, für einen projektbezogenen Kassensturz. „Nach dem Jahreswechsel hat sich das Gefühl verfestigt, dass wir nicht mehr gleich in die Sommersaison starten möchten wie zuvor, dass wir die Auswirkungen unserer Tätigkeit hinterfragen und etwas verändern möchten,“ sagte Michaela Nöckler im Gespräch mit Susanne Pitro auf salto. Die Umstellung auf ein Biohotel war die Konsequenz, „man kann fast sagen, dieses Projekt hat uns aus dem "Corona-Loch" gezogen.“Das Haus organisierte sich um, Ressourcen sparen, lokal und regional einkaufen, sichtbare Vernetzung mit dem benachbarten Bio-Bäcker, Gemüse- und Viehbauern. Ein Bio-Hotel bricht mit dem gängigen Modell und Konzept, eine Herausforderung für das Hotel-Team und die Hotel-Küche. Wirtin Nöckler findet, das Umrüsten ist gelungen, neue Gäste wurden angesprochen. Ein anstrengender Weg für das ganze Haus. Sogar das Angebot der Hotel-Bar wurde umgekrempelt. Michaela Nöckler schwärmt nicht nur, die Umstellung auf Bio-Lebensmittel kostet deutlich mehr, rechnet sie salto-Interviewerin Susanne Pitro vor, um ein Viertel mehr.
Gegen generellen Bettenstopp
Das Neubau-Volumen hält sich in Grenzen, die Aufstockung der Betten von 44 auf 70 Betten ist für das 20-köpfige Team schaffbar. Jetzt soll das in die Jahre gekommene Stammhaus aus dem Jahr 1910 neu gebaut werden. Für Michaela Nöckler ist klar, dass es nicht mehr, sondern weniger Betten haben wird. Auch deshalb, weil die Branche kaum mehr qualifiziertes Personal findet. „Die Pandemie hat das Image des Gastgewerbes als Berufszweig nicht gerade verbessert, eher das Gegenteil ist der Fall“, meint eine nachdenkliche Bühel-Wirtin.Ein qualitativer Umbau bedeutet immer Mehr-Kosten, belastet letztendlich die Hotel-Kasse. Eine spürbare Erhöhung der Preise ist für Michaela Nöckler aber nicht die Lösung, denn der Urlaub soll leistbar bleiben. Also noch mehr Betten, eine Spirale, die laut Nöckler deshalb betriebswirtschaftlich notwendig ist. Der Gadertaler Hotelier Michil Costa wirbt – alternativer Ausweg – für eine Begrenzung der Freiheit, der Betten. Ist also ein Bettenstopp auch eine Lösung, wie ihn Landesrat Arnold Schuler in seinem Landestourismuskonzept angedacht hat?
Einem generellen Bettenstopp kann Michaela Nöckler nichts abgewinnen. Im Gegenteil, es könnte nämlich einer gesamten Branche der Stecker gezogen werden, befürchtet Nöckler. Sie steht Erweiterungen deshalb keinesfalls negativ gegenüber, sie sollten aber an Nachhaltigkeitskriterien geknüpft werden, denkt Nöckler im salto-Gespräch recht unorthodox nach.
Es wird wohl in bestimmten Gebieten zu viele Betten geben, ergänzt Nöckler: „Trotzdem tue ich mich schwer, auch nur einem einzigen Betrieb seine Existenzberechtigung abzusprechen.“ Fakt ist für Nöckler aber auch, dass viele Talschaften und Orte noch immer weit vom Overtourism entfernt sind. Diese strukturschwachen Gemeinden sind anders zu behandeln als entwickelte und hochentwickelte touristische Gebiete, appelliert Nöckler für eine diversifizierende Tourismuspolitik.
Michaela Nöckler würdigte die letztjährige Sommersaison, die die Branche nach den Lockdowns dringend nötig gebraucht hatte. „Was mich aber schon erschreckt, ist vor allem das riesige Verkehrsproblem, das wir haben. In der Pandemie haben wir gesehen, dass es aber auch nicht wirklich besser wird, wenn keine oder sehr wenige Touristen im Land sind.