Der andere Weg
Auf der Suche nach einer Alternative
Lange schon, abseits der Politik, entstanden nachhaltige Wirtschaftsformen. Seit einem Viertel Jahrhundert schon bietet die Raika Bozen ethische Investitionen an. Zugunsten auch der biologischen Landwirtschaft, der energetischen Sanierung von Gebäuden und der Aufwertung von altem Handwerk. Ein nachhaltiges Netzwerk, das sich aus der einst belächelten Nische entwickelt hat.Unter dem Logo Raiffeisen entwickelte sich eine am Gemeinwohl orientierte genossenschaftliche
Wirtschaft. Nicht nur in der Produktion von Strom ist das schon mehr als eine 100-jährige Tradition.
Diese Gemeinwohl-Wirtschaft strahlt aus, findet sich auch im Nachhaltigkeitskonzept der Landesregierung wieder.
Dieses öko-soziale Experiment fasziniert auch Quereinsteiger, wie die Farmfluencers of South Tyrol. Ehemalige Angestellte oder Freiberufler entdecken das bäuerliche Erbe ihrer Eltern, kehren zurück auf den Hof, um was Neues zu wagen. Die Farmfluencers knüpfen zwischen den experimentierfreudigen Neueinsteigern ihr Netz. „Hast du genug vom Apfel oder der Milch? Suchst du Inspiration und neue Ideen?,“ eine der Fragen, die die Farmfluencers stellen. Sie bieten sich als Info-Börse an, mit Geschichten von Gleichgesinnten, die Mut machen, den anderen neuen Weg zu gehen.
Dieses Projekt leitet Meike Hollnaicher, die Erfinderin der Farmfluencer. Die ehemalige Studentin an der Design-Fakultät an der Freien Universität Bozen wuchs auf einem kleinen Bauernhof in Süd-Deutschland auf und kam auf Umwegen wieder zu ihren Wurzeln zurück, erzählt Hollnaicher. Eine Frage beschäftigt sie schon lange: „Was für eine Zukunft haben kleine Bauernhöfe? Sind sie wirklich so unbedeutend?“ Hollnaicher geht davon aus, dass die kleinen Bauernwirtschaften „unsere größte Chance sind, ökologisch und sozial weiter zu kommen.“ Stichworte: regionale naturnahe Lebensmittelproduktion für den wirtschaftlichen Kreislauf in der eigenen Region. Farmfluencers of South Tyrol
Ehrliche Worte von Nicole über die (solidarische) Landwirtschaft - Bing video
Ihr zur Seite steht Thomas Schäfer. Der begeisterte Koch begleitet Hollnaicher bei ihren Hof-Besuchen mit seiner Kamera, erzählt die Geschichten dieser anderen BäuerInnen. Schäfer interessiert sich für Wildkräuter, Fermentation und besonders fürs Essen. Das Feuer und die Berge begeistern Thomas Schäfer. Er will mutmachende Geschichte von Menschen erzählen, die experimentieren, abseits der Konvention, die dafür auch ihr Leben und ihre Arbeit änderten.
Es geht dabei nicht um eine Frontstellung. So versuchen viele Bäuerinnen auch in der konventionellen Landwirtschaft nachhaltige Wege zu gehen, pflegen Kräuter und selten gewordene Früchte. Die Farmfluencers verstehen sich als Plattform der Nachbarschaftlichkeit, um den kleinbäuerlichen Betrieben eine Perspektive zu geben. Und kleinbäuerliche Betriebe gibt es überraschenderweise noch immer viele.
Ein Beispiel dafür ist der Gerwies-Hof in Branzoll. Eingezwängt zwischen Apfelbäumen, Bahngleis und Straße befindet sich am Dorfende von Branzoll der Gerwies-Hof. Sandra, Christoph und Simon haben einen nach den Prinzipien Permakultur Gemüsegarten angelegt, die Hügel- und Marktgartenbeeten vermitteln den Eindruck einer kleinen, blühenden Oase. Auf ihrem Hof will das Trio lokales Gemüse anbauen. Zweimal wöchentlich wird das frisch geerntete bunte Gemüse im Hofladen verkauft, die drei Bauern geben auch Tipps zur Weiterarbeitung. Bienen und viele Insekten fliegen den Hof wegen seiner Vielfalt an. Auch die Gastronomie hat das reichhaltige Früchte-Angebot entdeckt. „Ein Mehrwert für alle,“ kommentiert Meike Hollnaicher die Arbeit auf dem Gerwies-Hof in Branzoll. Siehe gerwies.it
Auch der Bauer des Pigleider-Hofes in Aldein setzt auf den pflanzlichen Kreislauf und ausschließlich auf die regenerative Landwirtschaft. Alex Dado´ war Absolvent der Landwirtschaftsschule und hat die Matura erfolgreich abgeschlossen.
„Das ist alles in einem Jahr passiert,“ erzählt Alex Dado´ den Farmfluencers. „Vor Corona habe ich mich weder für Ernährung noch für Landwirtschaft interessiert. Aber die Pandemie hat mit gezeigt, dass ich mein Leben ändern muss.“ Der junge Bauer und sein Pigleiderhof auf Instagram
Der Meraner Daniele Piscopiello erzählt eine ganz andere Geschichte, er ist nämlich ein Bauer ohne Hof. Ein Quereinsteiger. Mit dem DA Genussgarten in Algund erfüllte sich Daniele seinen Traum, schon im Freundebuch seiner Kindheit steht geschrieben – Berufswunsch: Bauer. Begeistertet informiert Daniele über Nützlinge, wenn er die Beete im Gewächshaus inspiziert. Seine Produkte aus dem Genussgarten verkauft Piscopiello im Laden "Farm to Table" in Meran und über seine Abobox.
Für Piscopiello ist klar, ein neues Ernährungs-Bewusstsein ist notwendig. Das können aber nur die Bauern bewirken, wenn sie offensiv in die Gesellschaft gehen. In die Gesellschaft gehen heißt für Daniele Piscopiello Direktvermarktung.
DA Genussgarten auf Facebook
Einige Beispiele von vielen experimentierfreudigen Quereinsteigern und nicht nur auf der nachbarschaftlichen Plattform der Farmfluencers. Sie suchen nach Unterstützung und UnterstützerInnen. „Wer eine Idee hat, wie wir dass Projekt langfristig finanzieren können, darf sich gern melden,“ bittet Meike Hollnaicher für finanzielle Solidarität.