Real? Sustainable finance - nachhaltige Finanzwirtschaft
Auch im vergangenen Jahr nahmen nachhaltige Geldanlagen an Bedeutung und Dynamik zu. Wohl auch deshalb, weil das private und auch das institutionelle Interesse daran sehr groß ist. Treibend dabei sind zweifelsohne die EU-Vorgaben zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums.
Immer mehr Banken nutzen die ESG-Kriterien (sie stehen für Aspekte der Nachhaltigkeit, die im Rahmen der Finanzdienstleistung, also zum Beispiel eines Fondssparplans, bei der Bewertung und Auswahl der Aktien und Investitionsmöglichkeiten berücksichtigt werden. E steht für „Environment“ - Umwelt -) als Basis ihrer Geschäftspolitik. Sie sehen neue Investment-Chancen, die sich durch den Umbau der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit ergeben. Gewachsen ist auch das Interesse daran, wie sich ein Investitionsobjekt tatsächlich auf Umwelt und Gesellschaft auswirkt. Der sogenannte Impact (Auswirkung) gewinnt laut dem Autoren-Team Florian Sommer und Helge Wulsdorf vom Forum nachhaltige Geldanlage an Bedeutung. „Privates und öffentliches Kapital in Milliarden-, ja Billionenhöhe für die Erreichung der internationalen und europäischen Nachhaltigkeits- und Klimaziele zu mobilisieren wird nur dann gelingen, wenn die Transformationsbeiträge von Investitionen hierfür transparent sind,“ analysieren Sommer und Wulsdorf.
In der Diskussion um die finanzielle Nachhaltigkeit thematisiert Impact die ökologischen und sozialen Wirkungen von Investments zum Beispiel auf die von den Vereinten Nationen 2015 verabschiedeten Sustainable Development Goals SDG (d.h. mehr Kapital in nachhaltige Investitionen, finanzielle Risikobewältigung aufgrund von Klimawandel, Ressourcenknappheit, Umweltzerstörung und sozialen Problemen sowie Transparenz und Langfristigkeit in der Finanz- und Wirtschaftswelt), die Ziele des Pariser Klimaabkommens, den Green Deal der EU und die EU-Taxonomie (die im Juli 2020 in Kraft getretene EU- Taxonomie-Verordnung der EU-Kommission soll ein nachhaltiges Finanzwesen umsetzen. Die Verordnung soll Anreize schaffen, Kapitalflüsse in der EU nachhaltiger zu gestalten). Klartext: Jede Investition wirkt sich direkt oder indirekt – positiv oder negativ - auf Umwelt und Gesellschaft aus.
Trotzdem fehlt immer noch ein Instrument zur Messbarkeit der Auswirkung von Investitionen. Deshalb gibt es auch keine Daten über die Wirkung von Geldanlagen auf eine nachhaltige Entwicklung. Sobald diese vorhanden sind, „wird es gelingen, notwendige Finanzströme so zu lenken, dass sie nachweisbar konkrete positive Beiträge zu den internationalen und europäischen Nachhaltigkeitszielen leisten,“ prophezeien Summer und Wulsdorf.
Beide Autoren finden auch, dass wegen der fehlenden Messbarkeit und Transparenz die Wirkung nachhaltiger Investitionen nur ein Versprechen ist, die Gefahr von Etikettenschwindel und Greenwashing groß ist. Das verunsichert private AnlegerInnen und rückt manchmal die Finanzwirtschaft in ein trübes Licht.
Nachhaltige FinanzwirtschaftlerInnen hoffen deshalb auf die EU-Regulatorik. Sie verlangt in ihrer 2019 verabschiedeten Offenlegungsverordnung OffVO, dass die „wichtigsten nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen“ auf Unternehmensebene (Art. 4 OffVO) und die „zu erwartenden Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken auf die Rendite der Finanzprodukte“ (Art. 6 OffVO) offengelegt werden. Artikel 2 der Verordnung definiert nachhaltige Investitionen. Dazu zählen reale ökologische und soziale Ziele sowie gute Unternehmensführung, „etwa Ressourceneffizienz, Treibhausgasemissionen, biologische Vielfalt, Bekämpfung von Ungleichheit, sozialer Zusammenhalt, Managementstrukturen, Vergütungsfragen und die Einhaltung von Steuervorschriften,“ schlüsseln Summer und Wulsdorf auf.
Das Autoren-Team empfiehlt immer wieder Transparenz und Messbarkeit. Nicht klar als nachhaltige definierte Finanzprodukte dürfen deshalb nicht das Prädikat Impact verpasst bekommen, weil das nicht korrekt und auch nicht zielführend ist. Im Artikel 9 der EU Offenlegungs-Verordnung geht es um solche Finanzprodukte, die konkret eine nachhaltige Investition im Sinne der OffVO anstreben.
Im Artikel 10 wird die Wirkung von Investitionen thematisiert. So müssen die Angaben zur praktizierten Methodik, Bewertung, Messung und Überwachung der „Gesamtnachhaltigkeitswirkung des Finanzprodukts“ veröffentlicht werden. Erst dann darf ein Finanzprodukt als Artikel-9-Produkt angeboten werden. Die Umwandlung in eine nachhaltige Realwirtschaft ist nur dann machbar, wenn die tatsächlichen sozialen und ökologischen Wirkungsbeiträge im Vordergrund eines Investitionsobjekts stehen.
Aus globaler Perspektive sind die SDGs der UNO die wichtigste Zielvorgabe. Die thematische Bandbreite des Impacts erfordert mehr Forschung und mehr praktische Erfahrungen am Markt mit unterschiedlichen Impact-Strategien und -Produkten. Eine Gruppe namhafter Wissenschaftler unterscheidet nicht nur zwischen „ESG-gescreenten Investments“ und „ESG-gemanagten Investments“, sondern auch zwischen „wirkungskompatiblen Investments“ (englisch: impact-aligned investments) und „wirkungseffektiven Investments“ (englisch: impact-generating investments).
Drei Viertel der TeilnehmerInnen der FNG-Umfrage zum Impact sehen den Wert von Impactmessung und -steuerung in der Kapitalanlage als „sehr wichtig“ (28 %) oder „wichtig“ (57 %) an. Immer mehr KundInnen wollen wissen, welche Wirkung eine nachhaltige Geldanlage hat. Und nicht von ungefähr verlangt der Regulator mehr Transparenz zu Impact über die EU-Offenlegungsverordnung ein.
Die FNG schaute sich die größten Hindernisse/Hürden bei der Umsetzung des Impacts in Deutschland und Österreich an. Als eine besondere Hürde wird die fehlende Messbarkeit der Taxonomie gesehen. 89 Prozent geben dies als „sehr wichtiges“ (50 %) oder „wichtiges“ (39 %) Hindernis bei der Umsetzung von Impact Investments an. Die EU-Regulierung macht die EU-Taxonomie zur Messlatte für Klimaschutz-Investments. Die Messlatte kann aber noch nicht mit ausreichenden Daten der Realwirtschaft abgebildet werden. Die ESG-Ratingagenturen müssen die Daten für ihre Taxonomie-Produkte, die gerade erst auf den Markt kommen, daher zum Großteil schätzen. Reale Daten zu den detaillierten Taxonomie-Kriterien werden von den meisten Unternehmen ganz einfach (noch) nicht veröffentlicht. Wer mit positiver Nachhaltigkeitswirkung investieren will, muss sich auf nachhaltige Unternehmen fokussieren.
Diese Einschränkung des Investmentuniversums wird von den MarktteilnehmerInnen aber toleriert. Sie wird in der FNG-Umfrage als eine deutlich niedrigere Hürde gesehen als die fehlende regulatorische Klarheit oder Messbarkeit der Taxonomie. Festhalten lässt sich, dass das Thema Impact in der Finanzwirtschaft sowohl angekommen ist als auch als ein strategisches Wachstumsthema erkannt wird.
Die EU-Regulatorik sorgt für das stete Wachstums im nachhaltigen Anlagemarkt. Durch die EU-Offenlegungsverordnung (OffVO) wurden neue Produktklassifizierungen geschaffen. Aufbauend auf den European Green Deal und auf den EU-Aktionsplan folgte die „Sustainable Finance-Strategie“ der EU. Der Sustainable Finance-Beirat der deutschen Bundesregierung arbeitete die deutsche Sustainable Finance-Strategie aus.
Transparenz, Offenlegung und Berichterstattung auf Grundlage eines gemeinsamen Referenzrahmens für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten (Taxonomie) bilden das Kernstück des EU-Aktionsplanes „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“. Die Taxonomie-Verordnung bewertet nachhaltige Aktivitäten und legt Kriterien und Berichtspflichten der nachhaltigen Finanzierung fest. Im April verabschiedete die Kommission den Rechtsakt zu den Umweltzielen Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel der Taxonomie und führte damit die ersten technischen Bewertungskriterien ein, die am 1. Januar 2022 in Kraft treten. In Ausarbeitung ist ein Referenzrahmen für sozial nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten (Soziale Taxonomie) sowie für nicht nachhaltige Aktivitäten.
Die OffVO definiert Offenlegungspflichten für institutionelle InvestorInnen, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken in ihre Anlageentscheidungen einbeziehen und wie sie ihre Strategie, Ziele und Auswirkungen an EndanlegerInnen berichten. Die EU-Richtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD od. NFRD II), regelt die Verpflichtung von Unternehmen zur Berichterstattung über wesentliche Nachhaltigkeitsdaten zu Risiken und Auswirkungen.
Finanzmarktteilnehmende können ihren Transparenzpflichten aus der Taxonomie- und Offenlegungsverordnung nur nachkommen, wenn ihnen entsprechende Nachhaltigkeitsinformationen über Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Neben der Ausweitung der verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung auf börsennotierte kleine und mittelgroße Unternehmen (KMUs), wird mit dem Richtlinienvorschlag die EU-Standardisierung des Berichtsformats und eine Überprüfung der Daten durch Dritte adressiert. Entscheidende Maßnahmen, die die Verfügbarkeit, Vergleichbarkeit und Qualität von ESG-Unternehmensdaten gewährleisten sollen.
Da sich die verschiedenen Maßnahmenpakete in unterschiedlichen Phasen des Gesetzgebungsprozesses befinden, gibt es derzeit noch Interpretationsspielräume und Unsicherheiten. Die Herausforderung wird es daher sein, die drei komplexen Maßnahmenpakete so aufeinander abzustimmen, dass eine kohärente und effiziente Anwendung ermöglicht wird, die im Ergebnis Informationsasymmetrien zwischen Finanzproduktherstellern, respektive FinanzberaterInnen und privaten sowie institutionellen InvestorInnen abbaut und damit Greenwashing entgegenwirkt.
Eine Orientierungshilfe bei der Umsetzung dieser drei zentralen Maßnahmenpakete bietet das Forum für nachhaltige Geldanlage (www.forum-ng.org/politik).
Quelle: Forum nachhaltige Geldanlage; Autoren Florian Sommer und Helge Wulsdorf
ESG-Kriterien • Definition | Gabler Wirtschaftslexikon
ESG-Kriterien: Wann sind Geldanlagen nachhaltig? - Utopia.de
THE 17 GOALS | Sustainable Development (un.org)
United Nations Sustainable Development – 17 Goals to Transform Our World
A European Green Deal | European Commission (europa.eu)
I Need to Maximize Positive Impact | S&P Global Market Intelligence (spglobal.com)
Verordnung (EU) 2020/852 Taxonomie-Verordnung – Wikipedia
EUR-Lex - 32019R2088 - EN - EUR-Lex (europa.eu)
Verordnung (EU) 2019/2088 Offenlegungsverordnung – Wikipedia