Arbeit neu denken
Der Direktor des Arbeitsförderungsinstituts AFI, Stefan Perini, plädiert für neue Modelle in der Arbeitswelt.Der Südtiroler Arbeitsmarkt hat überraschend gut die Corona-Krise überstanden, sagt AFI-Direktor Perini. Es gab sogar einen Beschäftigungsplus von 0,7 Prozent. Von einer um sich greifenden totalen Krise kann nicht gesprochen werden, laut einer letzten Befragung ist auch die Stimmung bei Südtirols Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gut.
Entwarnung kann trotzdem nicht gegeben werden, der Vor-Krisen-Status ist noch immer nicht erreicht, gleichzeitig verschärft sich der Mangel an Facharbeiter/Innen, weist Stefan Perini auf die Lage auf dem Arbeitsmarkt hin. Konzepte gegen den Mangel gibt es keine, außer Überlegungen, Arbeitnehmer aus anderen Regionen abzuwerben. Perini wirbt dafür, Frauen nach der Mutterschaft den Wiedereinstieg in das Arbeitsleben zu erleichtern, die Teilzeit mit ihren Renten-Verlusten neu aufstellen und Ruheständler für Teilzeit-Jobs zurückholen.
AFI-Direktor Perini findet die in Südtirol praktizierte Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser als gedacht. Die Arbeitgeber kommen dem Personal oft entgegen, eine nachahmenswerte Freiwilligkeit, findet Perini. Vorzuziehen sind aber Betriebsabkommen, die das Recht auf eine bessere Vereinbarkeit formulieren. Notwendigkeit ist eine starke Vernetzung von öffentlichen und/oder betrieblichen Kinderhorten sowie flexiblere Arbeitszeiten. Zu überlegen ist auch, wirft Perini noch ein, wie die neue Form der alte Tele-Arbeit, das Homeoffice sinnvoll geregelt werden kann.
Das neue Arbeitsmodell des Homeoffices wird ermöglicht durch die Digitalisierung. In einigen Berufen ist die physische Präsenz nicht mehr zwingend notwendig, beschreibt Stefan Perini die doch revolutionäre Entwicklung am Arbeitsmarkt. ArchitektInnen, Medien-DesignerInnen oder Software-EntwicklerInnen können auch anders wo im Ausland für Südtiroler Unternehmen arbeiten.
Auch die Einstellung von Personal verändert sich grundlegend. Auf digitalen Plattformen werden von Fachleuten Dienste angeboten oder auch Arbeitsleistungen nachgefragt. Die offenen Foren erleichtern Lohn-Vergleiche, auch Arbeitgeber kommen damit unter Druck.
Arbeitgeber in Schweden, in den USA oder Australien versuchen ihrerseits attraktiver zu werden. Gleicher Lohn bei weniger Arbeitszeit, kommt bei den Belegschaften an, fördert offensichtlich die Prosperität. Meist noch Ausnahmen, die meisten Kollektivverträge sehen eine Wochenarbeitszeit zwischen 38 Stunden im öffentlichen Dienst und 40 Stunden in der Privatwirtschaft vor. Noch, schränkt Perini ein, die Tendenz geht hin zu weniger Wochenarbeitszeit. Er erwartet sich in den nächsten Jahren, dass die Vier-Tage-Woche zum Standard wird.
Spürbar auf dem Südtiroler Arbeitsmarkt und in den Unternehmen ist das Fernbleiben der im Ausland studierenden SüdtirolerInnen, bedauert Perini den Brain Drain, den „Abfluss von Intelligenz und Verstand“. Dem Land, der Wirtschaft und der Gesellschaft gehen Spitzenkräfte verloren. Perini begrüßt die Intiative „great place to work“, es muss aber auch das geboten werden, was sie verspricht.
Wer ist Stefan Perini?
Der Volkswirt Perini begann seine berufliche Karriere beim Ökoinstitut Südtirol / Alto Adige, wurde Mitarbeiter des ASTAT und später des WIFO der Handelskammer Bozen. Seit Oktober 2012 leitet Perini das AFI Arbeitsförderungsinstitut. Zu seinen Themen zählen die Zukunft der Arbeit, Konjunktur, Einkommen, Verteilung, Wohlfahrt und Wohnen.
Was macht das AFI?
Das Arbeitsförderungsinstitut ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Das Institut wird von Vertretern den Gewerkschaften und der Sozialverbänden geleitetet. Das AFI will durch mit Forschung und Bildung die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der ArbeitnehmerInnenschaft stärken.